Denkmalslok 99 4301 in Gommern


Dampflok 99 4301 am Bahnhof Gommern 

Aufnahme: Joachim Fricke (2005)

Die Geschichte der Denkmalslok 99 4301 ist eng mit ihrem heutigen Standort Gommern verknüpft. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Gommern im Jahr 948. Nach mehrfachem Eigentümerwechsel gehörte die Stadt seit 1815 zum preußischen Kreis Jerichow I. Der überwiegend landwirtschaftlich geprägte Ort erhielt 1874 Anschluss an die Eisenbahnstrecke Magdeburg-Dessau. Das war der Startschuss für die Industrialisierung der Stadt. In der Folge entstanden eine Zuckerfabrik (1890), eine Kartonagenfabrik und Mühlenwerke. In der Nähe bei Pretzien erfolgte der Abbau von Gommern-Quarzit in Steinbrüchen, der mittels einer zwischen 1890 und 1903 in Abschnitten eröffneten Schmalspurbahn (750 mm) zur Verladung am Bahnhof in Gommern transportiert wurde. 1903 erfolgte dann die Eröffnung der ebenfalls schmalspurigen (750 mm) Strecke Gommern-Loburg der Kleinbahnen des Kreises Jerichow I. Zwischen diesen Bahnen gab es aber keine Gleisverbindung.

Die Zuckerfabrik verfügte über einen Gleisanschluss im Bahnhof Gommern der Kleinbahnen des Kreises Jerichow I. Im Jahr 1921 erwarb die Zuckerfabrik eine Dampflok, für Rangieraufgaben in ihrem Gleisanschluss und dem Bahnhof Gommern von der Firma Orenstein & Koppel, Nowawes (seit 1939 zu Babelsberg) bei Potsdam die 1920 unter der Fabriknummer 9418 entstanden war. Die Inbetriebnahme erfolgte zur Rübenkampagne am 4. November 1921. Hier war sie bis zur Demontage der Zuckerfabrik 1945/46 im Einsatz. Eine Untersuchung der nur in der jährlichen Kampagne eingesetzten Lok ist für 1942 nachgewiesen.

Im Jahr 1948 erwarben die Kleinbahnen des Kreises Jerichow I (unter Verwaltung der VVB Landesbahnen Sachsen-Anhalt) die ungenutzte Lok und reihte sie mit der Betriebsnummer 23 in ihren Fahrzeugpark ein. Ihr neues Einsatzgebiet war der Rangierdienst im Bahnhof Burg. Als die Deutsche Reichsbahn am 01.04.1949 die Kleinbahnen in der sowjetischen Besatzungszone übernahm, erhielt sie zuerst die Betriebsnummer 99 4401. Nach kurzer Zeit stellte sich das als Fehler heraus, da sie in den Umzeichnungslisten als 99 4301 geführt wurde. In der Folge mussten die angebrachten Nummernschilder noch mal geändert werden. Diese Änderung war über viele Jahre durch die Korrosion der nun stählernen Ziffer "3" auf den Schildern zu erkennen.

In den folgenden Jahren wurden einige Änderungen an der Lok vorgenommen. So erhielt sie 1957 eine elektrische Beleuchtung mit Lichtmaschine und 1964 wurde der Stehkessel im Reichsbahn Ausbesserungswerk Görlitz erneuert. Im folgenden Jahr wurde der Betrieb auf der früheren Kleinbahn entgültig eingestellt.

Die nun erneut "arbeitslose" Lok wurde am 10.11.1965 an die Ballerstedt Transportgesellschaft KG, Pretzien verkauft. Diese betrieb die Reststrecke der Gommern-Pretziener Eisenbahn, die ursprünglich den Quarzit aus den Steinbrüchen zum Bahnhof Gommern transportierte. 1963 wurde der letzte Steinbruch aufgelassen und fortan nur noch Sand im Tagebau gewonnen. Auch dieser wurde nach Gommern zur Verladung geschafft, was nun auch zu den Aufgaben der 99 4301 gehörte. 1969 erhielt sie nochmals eine Kesseluntersuchung, wurde aber in den folgenden Jahren nicht mehr genutzt. Diesellokomotiven hatten ihre Aufgaben übernommen. Trotzdem diese Werksbahn nicht der Reichsbahn unterstand, behielt sie bis zum Schluss ihre Reichsbahnnummernschilder.

Im den folgenden Jahren bemühte sich eine Arbeitsgemeinschaft Natur- und Heimatfreunde im Kulturbund der DDR um Übernahme der abgestellten Lok als Denkmal der regionalen Verkehrsgeschichte. 1975 erfolgte der Transport der Lok vom Betriebshof in Pretzien nach Gommern, wo die optische Aufarbeitung im VEB Zentrales Reparatur- und Ausrüstungswerk vorgenommen wurde. Im Juli 1975 konnten die Arbeiten abgeschlossen werden und die Lok an ihren neuen Standplatz am Bahnhof Gommern transportiert werden. Seit dieser Zeit pflegen die Heimatfreunde dieses technische Denkmal, welches 2010 einen vollständigen Neuanstrich erhalten hatte.


Quellen:

Krebs: Die Gommern-Pretziener Eisenbahn, Barby 2021

Lehnert / Mielke / Sommer: 99 4301 - 10 Jahre Technisches Denkmal, aus "Der Modelleisenbahner" 8.1985

Magdeburg und seine Umgebung - Werte unserer Heimat, Berlin 1972

Röper: Die Kleinbahnen des Kreises Jerichow I, Radebeul 1988

Siemß: Schmalspurbahnen im Kreis Jerichow I, Nordhorn 1998


 

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