Dieser Beitrag gründet auf dem gleichnamigen Vortrag, den der Autor am 05.03.2023 in der Arbeitsgemeinschaft Harzer Montangeschichte, Clausthal-Zellerfeld sowie am 14.03.2023 im Arbeitskreis Hüttengeschichte, Goslar-Oker gehalten hat. Die Fotos entstanden bei einem Museumsbesuch im August 2005.
Das Bergdorf Maiern (1370m) befindet sich am Talschluss des Ridnauntales, welches vom gleichnamigen Bach durchflossen wird. Hier steht die Erzaufbereitung der Gruben am Schneeberg, welche im Kern 1925/26 erbaut wurde. Heute ist sie Teil des Südtiroler Landesmuseums Bergbau mit Sitz in Brixen. Zwischen dem Ridnauntal und dem südlich davon gelegenen Passeiertal befindet sich der sogenannte Schneeberg. Dieser ist kein Berg im eigentlichen Sinne sondern eine Kar, also eine Mulde oder Kessel zwischen Steilwänden im Hochgebirge, dessen früher vergletscherter Boden mit Geröll bedeckt ist. Er liegt durchschnittlich auf 2345m Seehöhe. Hier befindet sich der Knappenort St. Martin (heute Teil des Museums), wo viele Jahrhunderte silberhaltige Blei-Zink-Erze abgebaut wurden und sich die Förderstollen befanden. Erse urkundliche Erwähnung fand der Bergbau im Jahr 1237, als eine Lieferung Schwerter in Bozen mit „gutem Silber vom Schneberch" bezahlt wurden. Wahrscheinlich ist der Bergbau dort aber noch älter. In dieser Zeit transportierte man die geförderten Erze ins Passeiertal nach Süden. Trotz des geringen Silbergehalts der Erze (1kg/t = 0,1%) und des schwierigen Abbaus im Hochgebirge lohnte sich die Gewinnung, da Silber für die Münzprägung benötigt wurde. Eine Münzstätte befand sich seit 1253 in Meran, wo man die "Tiroler Adlergroschen" sowie die "Meraner Zwanziger" prägte. Historische Knappen im Schaustollen Seit Mitte des 15. Jahrhunderts gehörte der Schneeberg zum Berggericht Sterzing-Gossensass. Ab dieser Zeit wurde das geförderte Erz über das Lazzacher Tal und das Ridnauntal abtransportiert und nach Nordtirol geschafft, wo es zu Blei verhüttet wurde. Dieses benötigten die Hütten im Inntal, um die deutlich silberreicheren Fahlerze (Kupfererz) aus Schwaz nach dem neu eingeführten Saigerverfahren zu verarbeiten. Seinerzeit waren bis zu 1000 Knappen am Schneeberg beschäftigt. Die Grubeneigentümer kamen durch dieses Geschäft zu einem großen Wohlstand, den noch heute die gestiftete Knappenkirche St. Magdalena (erbaut 1480) belegt. Knappenkirche St. Magdalena Der Transport der Erze erfolgte bis 1870 mit Sackzügen im Winter und mit Pferden in der wärmeren Jahreszeit. Die Pferde mussten dabei bis zu 150kg Erz tragen. Bei den Sackzügen wurde das Erz direkt in ledernen Säcken durch den Schnee gezogen.. Erztransport vor 1870 Ab Mitte des 17. Jahrhunderts wurde der Bergbau vorübergehend eingestellt bzw. sehr vermindert weitergeführt. Ursachen waren mangelnde Rentabilität und die Folgen des 30-jährigen Krieges. 1720 begann man den 750m langen Kaindl-Stollen anzulegen. Mit seiner Hilfe konnten auf dem Weg von St. Martin ins Ridnauntal rund 200 Höhenmeter vermieden werden, da das Überqueren der Schneebergscharte nun nicht mehr erforderlich war. An seinem Mundloch wurde zudem ein Pochwerk errichtet. Trotzdem sank die Fördermenge immer weiter und der Bergbau wurde offiziell 1798 eingestellt. Mitte des 19. Jahrhunderts gewann jedoch Zink zunehmend an Bedeutung. Die reichen Zinkvorkommen am Schneeberg, die bisher wenig Beachtung fanden, sorgten für eine Wiederaufnahme des Bergbaus und durchgreifende Modernisierungen. So entstand um 1870 eine mit Gleisen (Pferdebahn) versehene Transportanlage aus flachen Strecken, Bremsbergen und Erzkästen (Bunkern). Maierner Erzkasten und Bremsberg / Modell eines Bremsbergs Transportwagen am Bremsberg In Maiern wurde eine nassmechanische Erzaufbereitung für die Zinkerze erbaut. Reine Bleierze sortierte man schon am Berg aus, um sie im Tal sofort zum Versand zu bringen. Die zeitgleiche Eröffnung der Brennerbahn ermöglichte den Erztransport ab Sterzing mit der Bahn zur Hütte nach Brixlegg in Nordtirol. Nassmechanische Aufbereitung Ansichtskarte Sammlung J. Fricke Der Transport der Erze von der Aufbereitung Maiern bis zum Bahnhof in Sterzing (ca. 16 km) erfolgte mit Pferdewagen auf zwei sogenannten Erzstraßen, die bei Mareit mit einem Bremsberg verbunden waren. Pferdewagen zum Erztransport Obere Erzstraße bei Maiern Nach dem 1. Weltkrieg annektierte Italien das bisher österreichische Südtirol. Eine italienische Firma aus Trient übernahm die Anlagen und modernisierte sie 1925/26. Zum Erztransport wurde nun eine Materialseilbahn errichtet und die Aufbereitung mit einer Flotationsanlage ausgestattet.
Loren der Materialseilbahn Foto: J. Fricke (2010) Hauptbestandteile des Schneeberger Erzes waren Bleiglanz (PbS) und Zinkblende (ZnS), die - teilweise verwachsen - in der neuen Aufbereitung getrennt werden sollten, um den Hütten annähernd sortenreine Produkte zu liefern. Nach dem 1. Weltkrieg waren das nun überwiegend italienische Hüttenwerke. Das Material der Schneeberger Gruben erreichte die Aufbereitung mit der Materialseilbahn und wurde an einem Erzbunker entladen. Seilbahnendstation mit Erzbunker Mittels Förderband wurde das Erz vom Bunker (Seilbahnstation) nun in das Brechergebäude befördert. Hier erfolgte die grobe Zerkleinerung mit zwei Backenbrechern (in Südtirol als Quetschen bezeichnet). Das Erz wurde dabei zwischen einer beweglichen und einer feststehenden Backe durch Druck und Schlag zerkleinert. Der Austritt erfolgte durch einen verstellbaren Spalt, mit dem die Größe des gebrochenen Gutes regeln ließ. Brechergebäude mit Förderband vom Erzbunker Zulauf zu den Brechern Die zwei Backenbrecher (Quetsche) Prinzip eines Backenbrechers Das auf Schottergröße gebrochene Gut wurde mit Förderwagen zu einem Vorratsbunker geschafft. Später kamen Förderbänder zum Einsatz. Entnahme des gebrochenen Materials Bunker für das gebrochene Erz Dieser Bunker enthielt genügend Vorräte um die Aufbereitung zwei Wochen zu versorgen. So konnte selbst bei Ausfall der Seilbahn oder anderer technischer Probleme die Anlage noch weiter betrieben werden. Vom Vorratsbunker führte man das gebrochene Material portionsweise zwei Kugelmühlen (Rohrmühlen) zu. Dabei erfolgte eine Zugabe von Wasser zum Mahlgut. Jede der Mühlen verarbeitete täglich bis zu 15 Tonnen Material. Die Mahlung erfolgt durch unterschiedlich große Stahlkugeln, die bei der Drehung der Mühle das Erz durch Reibung und den Schlag der fallenden Kugeln bis auf eine Korngröße von 0,1 - 0,2mm zerkleinerten. Kugelmühle / Prinzipskizze Nicht ausreichend zerkleinerte Stücke, die die Mühle verließen, wurden mit einer Förderschnecke (Schneckenförderer) wieder in die Mühle zurückgeführt und somit nochmals dem Mahlvorgang unterzogen. Schneckenförderer Der entstandenen Trübe (Suspension) setzte man nun verschiedene Chemikalien zu. Dies sind im Einzelnen: 1. Schäumer (Sapinole) Organische Öle (Speldöl, Pinienöl) dienen der Erzeugung eines stabilen Schaums beim Einblasen von Luft in die Suspension. 2. Sammler (Flex 115P Xanthat, früher als Xanthogenat bezeichnet) Es sind Substanzen, die sich an die Erzteilchen anlagern und sie wasserabweisend machen, so dass sich diese so hydrophobierten Partikel an die aufsteigenden Luftblasen anlagern. 3. Drücker (Natriumcyanid) Sie verhindern selektiv durch oberflächliche Komplexbildung der Zinkblendepartikel die Anlagerung des Sammlers und damit das Aufsteigen mit den Blasen. 4. Regler (Soda) Sie optimieren den pH-Wert für den jeweiligen Flotationsschritt.
Chemikalien Die mit den Chemikalien versetzte Trübe (Suspension) wurde nun in die erste Reihe von Floationszellen geleitet. (obere Reihe) Mittels Rührwerk und von unten eingeblasener Luft erzeugte man Blasen. An diese lagerten sich die hydrophobierten Erzpartikel (Bleiglanz) an und schwammen auf. Der Schaum an der Oberfläche wurde nun mit einer mechanischen Schöpfvorrichtung kontinuierlich abgezogen und in eine Rinne befördert. Von hier lief er in die nachgeschaltete Filtration. Die Resttrübe mit den nicht hydrophobierten Partikeln ließ man nun in die darunter befindliche Reihe von Flotationszellen ab. Durch Zusatz eines sogenannten Belebers (Kupfersulfat) wurde die Wirkung des Drückers aufgehoben und der pH-Wert auf 11 eingestellt. In diesen Zellen stiegen somit die Zinkblendepartikel mit den Blasen auf und konnten abgeschöpft werden. Auch dieser Schaum wurde nun einer separaten Filtration zugeführt. Die Resttrübe mit dem tauben Gestein und den Chemikalien lief bis 1974 ungeklärt in den Ridnaunbach. Erst dann erfolgte der Bau einer Klärstufe. Flotationszellenreihe (Zinkflotation), darüber zu erkennen die Bleiflotation Aufbau einer Flotationszelle Der abgeschöpfte bleihaltige Schaum der oberen Zellenreihe lief nun über Rinnen in einen Trog. Die sich darin drehende Trommel ist mit Stoff bespannt und ihn ihrem Inneren wurde ein Vakuum erhalten. Dadurch lagerten sich die Bleiglanzpartikel auf der Stoffoberfläche ab und konnten beim Drehvorgang mit einem Blech "abgeschält" werden. Das so erhaltene Bleikonzentrat enthielt trocken ca. 65,5% Blei. Vakuumfilter für das Bleikonzentrat Analog zu der Bleifiltration verhielt sich die Zinkfiltration. Aufgrund des Anteils an Zinkblende war die Anlage jedoch größer dimensioniert. Das getrocknete Konzentrat enthielt ca. 51,5% Zink. Vakuumfilter für das Zinkkonzentrat Anfangs wurden die Erzkonzentrate mit einer Seilbahn nach Sterzing zum Bahnhof der Brennerbahn transportiert um sie den Hütten zuzuführen, nach Ausbau der Talstraße dann mit Lastkraftwagen. Bis zum ersten Weltkrieg waren das Hüttenwerke in Österreich und Slowenien, später dann in Italien. Während der NS-Zeit wurden auch deutsche Hüttenwerke beliefert. Im Jahr 1965 wurde der neue Poschhausstollen fertiggestellt. Nun konnte das Erz direkt auf der Ridnauner Seite gefördert werden. Durch den Bau einer Personenseilbahn und eines Arbeiterwohnhauses (heute Museum) an der Aufbereitung wurde das Knappendorf St. Martin nicht mehr benötigt und aufgegeben. Die Bergleute, die sonst ganzjährig im Hochgebirge lebten, kamen täglich nach der Schicht zurück ins Ridnauntal. Die Materialseilbahn wurde bis zum Poschhausstollen gekürzt. Preisverfall und sinkende Metallgehalte im Erz führten zwischen 1979 und 1985 zur vollständigen Stilllegung der Anlagen. Bald darauf erfolgte die museale Nutzung. Auch die verfallenen Gebäude des Knappendorfes werden nun nach und nach instand gesetzt und zugänglich gemacht. 1993 wurde nahe der Aufbereitung ein Schaustollen eingerichtet, der die alten Fördermethoden dokumentiert. |
Quellen: Egg: Silber und Blei vom Schneeberg und von Gossensaß, aus "Der Anschnitt" 3/1992 Kaltofen u.a.: Verfahrenstechnik in Chemieberufen, Leipzig 1981 Kuntscher: Südtirol – Bergwerke, Höhlen, Heilquellen, Berwang 1990 Mischol-Hürlimann, Das Schneeberg-Bergwerk der Superlative, aus "Bergknappe" 3+3/1997 Rampold: Eisacktal, Bozen 1981 Tasser: Das Bergwerk am Südtiroler Schneeberg, Bozen 1994 Tasser: Führer durch den Museumsbereich Schneeberg, Bozen 1994 Troitzki: Die Flotation, ein Aufbereitungsprozess, Leipzig 1956 |
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