Ansichtskarte der Gewerkschaft Thüringen aus dem Jahr 1911 Sammlung: Joachim Fricke
|
|
Erstmals 1856 beim Abteufen der zwei Steinsalzschächte "von der Heydt" und "von Manteuffel" in Staßfurt wurden Kalisalze zu Tage gefördert. Da man mit diesen bunten und bitteren Salzen seinerzeit nichts anfangen konnte, wurden sie als sogenannte Abraumsalze auf Halden geschüttet. Nur das unter den Kalisalzschichten lagernde Steinsalz interessierte die Bergwerksgesellschaft. 1858 untersuchte der Staßfurter Chemiker Dr. Adolph Frank (1834-1916) diese Abraumsalze, die in erster Linie aus Carnallit bestanden. Dabei entdeckte er die stark düngende Wirkung der Kalisalze. 1860 erhielt Dr. Frank ein Patent auf ein Verfahren zur Isolierung von reinem Kaliumchlorid (früher Chlorkalium genannt) aus dem Carnallit und eröffnete ein Jahr später die erste Kalidüngerfabrik in Staßfurt. Die Aussicht auf die enormen Gewinne, die die Düngemittelproduktion versprach, führte zu einem regelrechten "Kali-Boom". Ausgehend von Staßfurt entstanden in den folgenden Jahren überall in Deutschland Kalibergwerke und Düngerfabriken. Ausschließlich im Südharzraum unterblieben Versuche eine Kalidüngerproduktion aufzunehmen. Dies beruhte auf einem wissenschaftlichen Irrtum. Man glaubte damals, daß südlich des Harzes keine Kalisalzvorkommen zu erwarten wären. Erst eine 1888 in Kehmstedt südlich von Nordhausen niedergebrachte Bohrung zeigte, daß es auch im Südharz reiche Vorkommen an Kalisalzen gab. Nach erfolgversprechenden Bohrungen bei Heygendorf begann die Gewerkschaft Thüringen am 25. April 1905 mit dem Abteufen des Schachtes Thüringen I. |
chem. Formel: KMgCl3 · 6 H2O Carnallit ist der Hauptbestandteil der Staßfurter Abraumsalze, d.h. derjenigen Salze, welche das dortige Steinsalzlager überdecken und entfernt werden müssen, ehe man zum eigentlichen Steinsalz gelangt. Er ist in reinstem Zustand wasserhell, sehr häufig aber durch Beimengungen von Eisenoxydkriställchen rot gefärbt. Beim Liegen an feuchter Luft zieht der Carnallit Wasser an. Es entsteht eine dickflüssige Lösung, welche einen schwerer löslichen Teil des Minerals umhüllt.
Aus: Wilbrand: Grundzüge der Chemie, Hildesheim 1910 |
Bereits 1906 erreichte der Schacht bei einer Tiefe von 339,40m das Kalilager. Auch hier herrschte Carnallit vor. Die Endteufe des Schachtes lag bei 420,80m. Im gleichen Jahr erwarb die "Aktiengesellschaft consolidierte Alkaliwerke zu Westeregeln" die Kuxe (Anteilsscheine) der Gewerkschaft Thüringen und übernahm somit das neue Bergwerk. Im Jahr 1908 erfolgte die Betriebsaufnahme der Schachtanlage. |
|
Zur Verbesserung der Produktion und aus Sicherheitsgründen - seit 1903 gab es eine sogenannte "Zweischachtverordnung", die einen zweiten Schacht für Notfälle vorschrieb - begann man 1913 ca. 1,5km südöstlich von Schacht I einen zweiten Schacht "Thüringen II" abzutäufen. Zwischen Schacht I und Schacht II wurde eine Materialseilbahn eingerichtet. Die schon beim Abtäufen augetretenen Wasserzuflüsse in 275m Tiefe waren aber nicht zu beherrschen, so daß man die Arbeiten am Schacht II im 1. Weltkrieg ganz aufgeben mußte. Im Jahr 1934 wurde der Schacht II dann mit einer Abdeckung versehen. Anfang der 1960er Jahre öffnete man den Schacht II noch einmal, um ihn als Wasserreservoir für die Tiefboranlagen der Kupferschiefererkundung zu nutzen. Bei einer Lotung im Jahr 1968 wurde der Wasserspiegel ca. 78m unter der Hängebank angetroffen. |
|
Teufmannschaft vom Schacht
Thüringen II im Jahr 1913.
Sammlung: H.-J. Schmidt, Sondershausen |
|
Der Abbau des Carnallit erfolgte in einem ca. 600 x 1400m großen Abbaufeld östlich des Schachtes "Thüringen I" im Kammerbau. Die abgebauten Kammern wurden sodann mit Abfällen aus der Kalifabrik sowie mit anfallendem Gestein aus dem Streckenvortrieb verfüllt. Der Hauptfüllort des Schachtes I befand sich auf der 408m tief liegenden Hauptfördersohle. Zum Abtransport der fertigen Produkte diente eine Werksbahn, die in Niederröblingen Anschluß an die Strecke nach Sangerhausen hatte. Schon 1921 wurde die Förderung nach nur 13 Jahren wieder eingestellt. Dies hatte seine Ursache in der neuen Konkurenz durch Kalibergwerke in dem nun zu Frankreich gehörenden Elsaß-Lothringen. Durch die sogenannte "Stillegungsverordnung" von 1921 wurden wenig rentable Werke zwangsweise stillgelegt. Ihre Produktionsanteile fielen an leistungsstärkere Werke. Insbesondere die Carnallit verarbeitenden Werke (der K2O-Anteil im Carnallit beträgt nur etwa 17 %) waren davon betroffen. Bis Anfang der 1930er Jahre waren dann beide Schächte endgültig gesichert. Einige erhalten gebliebene Gebäude und die Ruine der Kalifabrik zeugen noch heute von der kurzen Geschichte dieses Kalibergwerks. |
|
Ruine der Kalifabrik (2004) Aufnahme: H.-J. Schmidt, Sondershausen |
|
|
Quellen: Autorenkollektiv: Kali - Das bunte, bittere Salz, Leipzig 1990 Jankowski: Zur Geschichte des Kalibergbaus im Mansfelder Land, Eisleben 1988 Kowlik: Das alte Staßfurt, Oschersleben 1994 Slotta: Technische Denkmäler in der Bundesrepublik Deutschland 3 - Die Kali- und Steinsalzindustrie, Bochum 1980 Schmidt: Das ehemalige Kaliwerk der Gewerkschaft Thüringen in Heygendorf, aus "Der Anschnitt" Heft 1, Bochum 2005 |
© Joachim Fricke 2004 / 2013