Der "Gläserne Zug" in Hameln


Elektrotriebwagen 491 001-4 der DB im Bahnhof Hameln

(Foto: J. Fricke, 21.04.1984)

Einer der wenigen Einsätze in Norddeutschland führte den "Gläsernen Zug" am 21.04.1984 nach Hameln, wo der Autor ihn aufnehmen konnte. Befahren wurde an diesem Tag die Strecke Hameln - Willebadessen - Altenbeken - Herford - Neubeckum - Lippstadt - Paderborn - Hameln.

In den 1930er Jahren war die Deutsche Reichsbahn bemüht, das Reisen mit der Eisenbahn angenehm zu gestalten. Die Konkurrenz in Form von Omnibussen wurde zunehmend größer. Für den Ausflugsverkehr in landschaftlich schöne Gegenden ließ die Reichsbahn fünf Aussichtstriebwagen bauen. Zwei mit elektrischem Antrieb und drei Dieseltriebwagen. Diese boten einen hohen Komfort und gute Sichtverhältnisse von allen Plätzen. Die geschlossene Bauweise ließ Fahrten bei allen Witterungsverhältnissen zu. Während die beiden Elektrotriebwagen rundum geschlossen waren, verfügten die Dieseltriebwagen über zu öffnende Dächer im Stil eines Cabriolets.

Die beiden Elektrotriebwagen wurden von der Waggonfabrik Fuchs in Heidelberg erbaut und 1935 an die Reichsbahndirektion München ausgeliefert und kamen ab dem folgenden Jahr zum Einsatz. Sie erhielten die Bezeichnungen elT1998 und elT1999. Für den elektrischen Teil zeichnete die AEG verantwortlich. Haupteinsatzgebiet der Triebwagen waren die Strecken von München nach Innsbruck (Karwendelbahn) und München-Salzburg. Es gab öffentliche Einsätze, aber auch gemietete Fahrten für geschlossene Gesellschaften. Die Bezeichnung "Gläserner Zug" wurde von der Reichsbahn zur Vermarktung der Fahrzeuge genutzt.

Im Jahr 1940 änderte die Deutsche Reichsbahn die Bezeichnungen der beiden Aussichtstriebwagen. Aus dem elT1998 wurde der ET91 01 und aus dem Schwesterfahrzeug elT1999 der ET91 02. Im April 1943 brannte der ET91 02 im Bahnbetriebswerk München Hbf. als Folge eines Bombenangriffs vollständig aus. Das Fahrzeug wurde daraufhin ausgemustert. Der ET91 01 wurde daraufhin bis 1946 im Lokschuppen des Bahnhofs Bichl versteckt und nicht mehr eingesetzt. Im Jahr 1949 wurde der Triebwagen im Bahnbetriebswagenwerk Pasing instandgesetzt und kam ab Juli des Jahres wieder zum Einsatz.

Zum Transport von Gepäck und Skiern im Winter erhielt der Aussichtstriebwagen 1952 einen einachsigen Beiwagen (VB141 120), der sich nicht bewährte und darum kaum eingesetzt wurde. 

In den ersten Nachkriegsjahren beschränkte sich der Einsatz auf die bayerischen und österreichischen Stammstrecken des Fahrzeugs. Mit der Elektrifizierung von mehr Strecken in Richtung Norddeutschland konnte der Einsatzradius deutlich erweitert werden. Auch in der Schweiz kam der Wagen nun zum Einsatz. Bei den Schweizer Bundesbahnen (SBB) fand ja das gleiche Stromsystem Verwendung, allerdings waren die Schleifstücke der Stromabnehmer dort schmäler, so dass ein Austausch vor Befahren der schweizer Strecken erforderlich war. 

Mit der Umstellung des Nummernsystems bei der Deutschen Bundesbahn im Jahr 1968 erhielt der Triebwagen nun die Bezeichnung 491 001-4, die er bis zu seinem Unfall behalten sollte. Auch die Farbgebungen des Fahrzeugs wechselten mehrfach. Das Bild in Hameln zeigt die vorletzte Variante in Olympiablau (ab 1971). Ab 1970 mietete die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte e.V. (DGEG) oft für ihre Studienfahrten an. Hierbei wurden auch nicht elektrifizierte Strecken im Schlepp anderer Triebfahrzeuge befahren.

Am 12. Dezember 1995 kam es auf der Fahrt von München nach Innsbruck zur Kollision mit einem aus Innsbruck kommenden Regionalexpress im Bahnhof Garmisch-Patenkirchen. Der Lokführer des Regionalexpress aus Innsbruck fuhr trotz des Halt zeigende Ausfahrsignals in Richtung München an. Obwohl eine Zwangsbremsung ausgelöst wurde, rutschte die Lokomotive in den gerade einfahrenden Gläsernen Zug. Die Folge war ein Toter und 27 Verletzte im Aussichtstriebwagen, der konstruktionsbedingt nicht die Stabilität aufzubieten hatte, wie die kollidierende 1044 der Österreichischen Bundesbahnen. Auch im Regionalexpress wurden 14 Menschen bei dem Zusammenstoß verletzt.

Der auf einer Seite stark zerstörte Aussichtstriebwagen wurde nicht wieder restauriert und 2006 dem Bahnpark Augsburg übergeben, wo er bis heute besichtigt werden kann.


Quellen:

Troche: Der elektrische Aussichtstriebwagen der Deutschen Bundesbahn, Karlsruhe 1980

Troche: 50 Jahre "Gläserner Zug", Karlsruhe 1985


 

© Joachim Fricke 2024