Erdöl 1. Gewinnung und Verarbeitung. Das Erdöl (auch Rohpetroleum, Steinöl, Mineralöl, Naphtha genannt) erfüllt in der Erdrinde Poren und Spalten von Sedimentgesteinen. Um es zu gewinnen, treibt man zu seinen Lagern Bohrlöcher nieder. Aus ihnen sprudelt es entweder zusammen mit Gasen springquellenartig heraus, oder es wird mit Pumpen an die Oberfläche befördert. Es ist eine dicke, braun oder schwarz gefärbte Flüssigkeit, die sich in Wasser nicht löst. Das Rohpetroleum ist ein Gemisch aus vielen Stoffen, das durch fraktionierte (stufenweise) Destillation aus gußeisernen Kesseln in Stoffe von verschiedenem Siedepunkt zerlegt wird. a) Die Benzine vom spezifischen Gewichte 0,66 - 0,80 sieden zwischen 40 und 150°. Sie sind die vielgebrauchten Betriebsstoffe für Explosionsmotoren (Automobile, Flugzeuge). Weil sich Fette leicht in ihnen lösen, werden sie auch zur Entfettung von Knochen und Ölfrüchten sowie zur chemischen Reinigung verwendet. b) Das Leuchtpetroleum oder Brennöl (Siedepunkt 150° - 300°) ist nach der Reinigung eine fast farblose, bläulich fluoreszierende Flüssigkeit. Um Explosionen zu vermeiden, muß Petroleum als Beleuchtungsmittel frei von leicht entzündlichen Benzinen sein. Liegt sein Entflammungspunkt unterhalb 21°, so darf es im Deutschen Reich nur unter der Bezeichnung "feuergefährlich" verkauft werden. c) Die Gas- und Schmieröle (Siedepunkt oberhalb 300°), die gewöhnlich unter vermindertem Druck destilliert werden, dienen zum Schmieren von Maschinen und zum Betrieb von Dieselmotoren. Beträchtliche Mengen von Schmierölen werden durch "Kracken" (to crack, engl., zerspalten), d.h. durch Erhitzen über ihren Siedepunkt, in Benzine umgewandelt. Aus den Petroleumrückständen werden die Vaseline und das Paraffin gewonnen. Die halbfeste Vaseline wird für Salben, das feste Paraffin zur Kerzenherstellung verwendet.
2. Wirtschaftliche Bedeutung des Erdöls. Die Erdölindustrie ist in den Vereinigten Staaten entstanden, wo man 1859 in Pennsylvanien die ersten ertragreichen Ölquellen erbohrte. Auch heute noch liefert Nordamerika 70 % der Welterzeugung. Deutschland führte 1926 1.400.000t Mineralöle ein, wovon 760.000t aus den Vereinigten Staaten kamen, unsere eigene Rohölgewinnung betrug 95.000t. Die deutschen Erdöllager liegen in der Provinz Hannover bei Wietze und Peine. Da ihre Erzeugung im Verhältnis zu unserem Verbrauch sehr gering ist, sind neuere Versuche, petroleumartige Stoffe aus Kohlen zu gewinnen, für unsere Volkswirtschaft sehr wertvoll. Der deutsche Bedarf an flüssigen Brennstoffen würde sich wahrscheinlich durch die Verarbeitung eines geringen Bruchteils der deutschen Kohlenförderung decken lassen. Das Erdöl besitzt als Heizstoff gegenüber der Kohle wesentliche Vorzüge. Während ein kg Steinkohle bei der Verbrennung durchschnittlich 7000 kg-kal. erzeugt, beträgt die Verbrennungswärme von 1 kg Erdöl 10.000 kg-kal. Dieser Vorteil wird noch durch den Umstand erhöht, daß das Öl in den Verbrennungsmotoren mit einem größeren Nutzeffekt verbraucht werden kann als die Kohle in den Dampfmaschinen. Auch als Heizstoff für Schiffskessel ist es der Kohle überlegen. Deshalb sind die Industriegroßstaaten eifrig bemüht, Erdöllager zu erschließen oder in ihre Hand zu bekommen. Es ist für die Weltwirtschaft bedeutungsvoll, daß der größte Teil der Erdölgewinnung in den Händen amerikanischer und englischer Großunternehmungen liegt. Erdöl-(Rohöl)-Gewinnung (in 1000 Tonnen).
Wie die Kohle aus pflanzlichen Überresten durch Verwesung unter Luftabschluß, so ist wahrscheinlich das Erdöl in entsprechender Weise aus Fettüberresten von Meerestieren entstanden. Man hat durch Destillation von Tierfetten, z.B. Fischtran, ein öliges Produkt erhalten, das dieselben Stoffe wie amerikanisches Petroleum enthält. Auch durch Destillation deutscher Braunkohlearten lassen sich erdölähnliche Stoffe (Benzine, Leuchtöle, Paraffine) gewinnen. aus: Henniger: Lehrbuch der Chemie - Teil II, Leipzig 1928 |