Eisenbahnen, Straßenbahnen und Museen 

in Jekaterinburg


 

Die 1732 gegründete Stadt Jekaterinburg ist mit ca. 1,4 Millionen Einwohnern heute die viertgrößte Stadt Russlands. Die am Ural gelegene Stadt wird vom Fluss Isset durchflossen und  ist nur wenige Kilometer von der imaginären Grenzlinie zwischen Europa und Asien entfernt. Zwischen 1924 und 1991 trug die Stadt den Namen Swerdlowsk, benannt nach dem russischen Revolutionär Jakow Swerdlow (1885-1919).

Seit 1840 galt Jekaterinburg als Zentrum der Metallverarbeitung. Die Bergwerksbesitzer im Ural forderten daher eine Schienenverbindung zwischen ihren Gruben und der Stadt. Dieser Wunsch ging mit dem Bau der privaten Uralbahn zwischen Perm und Jekaterinburg in den Jahren von 1872 bis 1878 in Erfüllung. Die Uralbahn hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings keine Verbindung zum restlichen russischen Schienennetz.

In den Jahren 1883 bis 1885 wurde die Uralbahn bis Tjumen verlängert und 1896 konnte die Strecke von Jekaterinburg nach Tscheljabinsk eröffnet werden. Hier bestand fortan Anschluss an die staatliche Transsibirische Eisenbahn. 1909 erfolgte die Fertigstellung einer kürzeren Verbindung von Perm nach Jekaterinburg über Kungur. Durch die weitere Verlängerung der Uralbahn von Tjumen nach Omsk ab 1913 wurde die Grundlage für eine Verlegung der Route der Transsibirischen Eisenbahn geschaffen. Seit den 1930er Jahren fahren die Züge der Transsib von Moskau über Jekaterinburg und Omsk bis Wladiwostok. In dieser Zeit erfolgte auch die Elektrifizierung der Strecken.

Die verschiedenen Linienführungen der Transsibirischen Eisenbahn zwischen Moskau und Omsk. Seit den 1930er Jahren fahren die Züge über Perm und Jekaterinburg nach Omsk.


 

Im Juli 2013 bereiste ich mit meiner Familie das Teilstück von Moskau (Jaroslawer Bahnhof) über Nischni Nowgorod bis Jekaterinburg, wo die folgenden Fotos entstanden.

Reiseticket der RZD (Rossijskije schelesnyje dorogi), der Russischen Eisenbahn.

 

Der Hauptbahnhof von Jekaterinburg

 

Das Relief am Bahnhofsgebäude weist auf die imaginäre Trennungslinie der Kontinente hin, die wenige Kilometer von Jekaterinburg entfernt verläuft. Die Stadt selbst liegt in Asien.

 

An das 100jährigen Jubiläums der Eröffnung der Uralbahn im Jahr 1878 erinnert dieses Denkmal der ersten in Russland gebauten Dampflokomotive, das die Swerdlowsker Direktion im Jahr 1978 aufstellen ließ. Die Originallokomotive entstand 1834 in der Werkstatt von Vater und Sohn Tscherepanow.

 

Die Denkmalslokomotive aus der Reihe Кч4 (KTsch4) steht in einer kleinen Grünanlage nahe dem Hauptbahnhof. Die  Maschine mit einer Spurweite von 750mm wurde 1950 bei der Firma Skoda in Pilsen unter der Fabriknummer 2343 (fälschlicherweise als Betriebsnummer angeschrieben) gebaut. Nicht mehr bekannt ist, ob die Maschine die Bezeichnung Кч4-328 oder Кч4-431 trug.

 

Die 1929 eröffnete Straßenbahn ist in der russischen Breitspur von 1524mm angelegt und weist heute ein Streckennetz von etwa 180km auf. Auf den Strecken kommen überwiegend Straßenbahnwagen der tschechischen Firma Tatra zum Einsatz. Zwischen 1964 und 1986 wurden 530 Wagen des Typs T3 SU beschafft, jedoch keine Beiwagen. Sowohl Einzelwagen als auch zwei gekuppelte Triebwagen werden eingesetzt. Die Aufnahmen entstanden am Prospekt Lenina.

 

Das alte Empfangsgebäude der Uralbahn wurde 1878 errichtet und 2003 restauriert. Es beherbergt heute das Eisenbahnmuseum der RZD-Direktion Swerdlowsk.

 

Aus etwa der gleichen Zeit dürfte der Wasserturm stammen, der in unmittelbarer Nähe zum alten Empfangsgebäude steht. Er versorgte früher die eingesetzten Dampflokomotiven mit Wasser.

 

Vor dem Museum sind etliche Skulpturen des Künstlers Alexander Kokoteev aufgestellt, die Szenen aus der Eisenbahngeschichte mit einer Portion Humor wiedergeben.

 

Die Eingangshalle des Museums. Trotz vorhandener Kasse mußte kein Eintritt entrichtet werden.

 

Diese Szenerie zeigt die typische Reisekleidung im 19. Jahrhundert.

 

Modelle erläutern die Technik der Dampflokomotive.

 

Modell der Reihe O. Lokomotiven dieser Reihe wurden von 1889 bis 1914 in über  9000 Exemplaren in verschiedenen Versionen gebaut. Diese Zweizylinder-Verbund- Lokomotiven waren bis in die 1960er Jahre im Einsatz. Zuletzt aber nur noch im Rangierdienst.

 

Sammlung von Oberbaukomponenten. Die eckigen Löcher in den Unterlagsplatten weisen darauf hin, dass auch heute noch ein überwiegender Teil des russischen Oberbaus mit Nägeln auf den Holzschwellen befestigt ist. Ebenso sind selbst auf Hauptstrecken die Gleise noch mit Laschen verbunden.

 

Signal- und Fernmeldetechnik. Seit den 1960er Jahren gibt es keine Formsignale mehr bei den russischen Eisenbahnen

 

Ein Gleisbildstellwerk.

 

Langstielige Hämmer für Bremsproben und Hemmschuhe.

 

Ein Modell der Diesellokreihe ТЭП60 (TEP60). Diese Lokomotiven wurden zwischen 1960 und 1985 in 1241 Exemplaren in Dienst gestellt.

 

Die folgenden Aufnahmen entstanden am Verschiebebahnhof von Jekaterinburg. Gezeigt wird hier die Elektrolok ВЛ10-824 (WL10-824) der RZD. Die Doppelloks der Reihe ВЛ10 (Wladimir Lenin) wurde in 1902 Exemplaren zwischen 1961 und 1977 an die damalige SZD geliefert. Es handelt sich um eine Gleichstromlokomotive für eine Fahrdrahtspannung von 3 KV. Jede Lokhälfte hat eine Leistung von 2280 kW, zusammen also 4560 kW entsprechend 6200 PS.

 

Elektrolokomotiven der Reihe ВЛ11M (WL11M). Diese Lokomotiven wurden zwischen 1986 und 2008 in Dienst gestellt. Vorn zu sehen ist der B-Teil der Doppellok, hier die ВЛ11M-346Б (WL11M-346B). Bei dieser Reihe werden zu dem B- und A-Teil meist noch ein dritter Teil beigestellt, um die Leistung zu erhöhen.

 

Diesellok 2ТЭ116K-1336 vor dem Depot. Die dieselelektrischen Doppelloks der Reihe 2ТЭ116 (2TE116) wurden zwischen 1971 und 2007 in Dienst gestellt. Sie verfügen über eine Leistung von zusammen ca. 6000 PS.

 

Die 1200 PS starken Rangierdiesellokomotiven der Reihe TЭM18Д (TEM18D) werden seit 2004 in der Lokomtivfabrik Brjansk produziert. Hier die Lok TЭM18Д-062.

 

Typisch russische Güterwagen. Heute sind ausschließlich 4-achsige Wagen im Einsatz. Bremserbühnen werden hier noch überdacht, damit sie im Winter nicht hoch mit Schnee bedeckt sind.

 

Ein Gleisbagger konnte im Einsatz beobachtet werden.

 

Kästen ausgemusterter alter Waggons dienen als Werkzeug- und Teilelager.

 

Ein letzter Blick über den Verschiebebahnhof.

 

In unmittelbarer Nähe des Verschiebebahnhofs und des Depots findet man eine kleine, aber sehr schöne Sammlung historischer Fahrzeuge. Hier die Güterzug-Dampflok ФД21-2970 (FD21-2970 / Baujahr 1941). In den Jahren 1940 bis 1941 wurde eine verstärkte Version der schon seit 1931 gelieferten Reihe ФД20 (Felix Dserschinski - Revolutionär) unter der Bezeichnung ФД21 in Dienst gestellt.

 

Dampflok Л-3262 (L-3262). Die Güterzuglokomotiven der Reihe Л (Benannt nach dem Chefkonstrukteur Lebedjanki) wurden ab 1945 in Dienst gestellt. Aufgrund ihrer Achslast von nur 18 Tonnen konnten sie auch auf schlechter ausgebauten Strecken eingesetzt werden. Bis 1955 entstanden über 4000 Maschinen dieses Typs.

 

Eine besondere Rarität ist die Elektrolokomotive ПВ21-01 (PB = Politbüro) für eine Gleichstrom-Fahrleitungsspannung von 3 kV. Die 1933/34 gebaute Maschine ist die erste in Russland gebaute Elektrolok für Personenzüge der Sowjetischen Staatsbahn (SZD). Am 22. Oktober 1934 wurde sie auf der Strecke Moskau - Zagorsk in Betrieb genommen. Die erreichte Höchstgeschwindigkeit betrug 140 km/h. Drei fest im Rahmen gelagerte Antriebsachsen waren jeweils mit zwei Fahrmotoren ausgerüstet. Von diesem Lokomotivtyp wurde nur dieses eine Exemplar gebaut, welches zum Glück bis heute erhalten ist.

 

Für die 1932 elektrifizierte Strecke Chaschuri - Sestafoni (3kV Gleichspannung) im Kaukasus beschaffte die Sowjetische Staatsbahn (SZD) leistungsfähige Lokomotiven aus den USA (Reihe C) und Italien (Reihe СИ). Die Reihenbezeichnung C (S) stand hier für den Surampass. Diese Drehgestelllokomotiven hatten die Achsfolge Co´Co´. Wenig später wurden die amerikanischen Maschinen in sowjetischen Werken kopiert und 21 Exemplare zwischen 1932 und 1934 als Reihe CC in Dienst gestellt. In dieser Sammlung wird die Lok ССМ-05 erhalten. Das M steht dabei für die Modernisierung der Lok Anfang der 1950er Jahre.

 

Für die Elektrifizierungen im zweiten Fünfjahresplan (1933-1937) entwickelte die Sowjetunion ihre ersten eigenen elektrischen Lokomotiven für den Personen- und Güterverkehr. In Bezug auf Aufbauten und Achsfolge orientierte man sich an den zuvor erworbenen und später dann kopierten amerikanischen Konstruktionen. Es entstand die Reihe ВЛ19 (WL = Wladmir Lenin), von der bis zum 2. Weltkrieg 144 Stück geliefert wurden. Die Ausmusterung dieser Maschinen erfolgte zwischen 1969 und 1977. Erhalten ist hier die ВЛ19-035 aus dem Jahr 1932. Auch sie kam im 3kV-Gleichstromnetz zum Einsatz und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h.

 

Parallel zur ВЛ19 entstand noch die Reihe СК (SK = Sergej Kirow, sowjetischer Staats- und Parteifunktionär), von der aber nur 5 Exemplar in Dienst gestellt wurden. In den 1950er Jahren erfolgte hier ebenfalls eine Modernisierung. Die hier gezeigte Lok СКM-04 nahm 1936 ihren Dienst auf.

 

Als verstärkte Version der ВЛ19 wurde ab 1938 die Reihe ВЛ22 gebaut. Bis zum Ende des 2. Weltkriegs konnten aber nur 50 Maschinen dieses Typs in Dienst gestellt werden. Nach dem Krieg wurde die Reihe noch einmal überarbeitet und als ВЛ22M mit stärkeren Motoren bis 1958 in großer Stückzahl gebaut. Einige wenige Maschinen dieses Typs retteten sich betriebsfähig bis ins 21. Jahrhundert. Heute sind aber alle ausgemustert. Die hier ausgestellte ВЛ22M-171 entstand 1946.

 

Erst nach dem 2. Weltkrieg beschaffte die Sowjetische Staatsbahn Diesellokomotiven in größerem Stil. Nach den Reihen ТЭ1 und ТЭ2 bei denen jede Fahrzeughälfte nur eine Leistung von jeweils 1000 PS aufwies, folgte 1953 die Reihe ТЭ3 (TE3) mit jeweils 2000 PS pro Fahrzeughälfte. Die Bezeichnung ТЭ erklärt sich aus den Worten Тепловоз ( Teplowos = Diesellokomotive) und Э (E = elektrische Kraftübertragung). Die hier ausgestellte Lok ТЭ3-4820 wurde 1954 bei der Lokomotivfabrik Lugansk unter der Fabriknummer 4820 gebaut.

 

Während heute ausschließlich Drehgestellwagen bei der Russichen Staatsbahn zum Einsatz kommen, werden hier im Museum einige historische Zweiachser gezeigt. Das die Wagen einer recht alten Bauart angehören, ist auch daran zu erkennen, dass sie einstmals Puffer und eine Schraubenkupplung besaßen. Die Befestigungen der Puffer, wie auch die Rangiererhandgriffe sind noch zu erkennen. Die automatische Kupplung vom Typ SA3 wurde ab den 1930er Jahren sukzessive an den Fahrzeugen montiert. Bis ca. 1958 waren dann alle Fahrzeuge damit ausgerüstet. Die Bremsschläuche der Druckluftbremse müssen aber bis heute von Hand gekuppelt werden.

 

Zu den ältesten Drehgestellbauarten, die in Russland verwendet wurden, zählt das sogenannte Diamond-Drehgestell, welches in den USA entwickelt wurde.

 

 Mit sogenannten Turmtriebwagen erfolgt die Reparatur und Kontrolle der elektrischen Fahrleitungen.


Quellen:

Petersen: Schlagader einer Nation - Das Eisenbahnwesen der UdSSR, Augsburg o.J.

Rakow: Russische und sowjetische Dampflokomotiven, Berlin (Ost) 1988

Szlezak: Breite Spur und weite Strecken, Berlin (Ost) / Wien 1963

Westwood: Geschichte der russischen Eisenbahn, Zürich 1966


© Joachim Fricke 2013