Das Entnahmebauwerk vom Elbufer aus gesehen. Aufnahme: Joachim Fricke (2003) |
Die Trinkwasserversorgung war von Anfang an ein großes Problem für Magdeburg gewesen. Das Grundwasser, welches aus Brunnen entnommen wurde, hatte eine schlechte Qualität und der Wasserpegel der Elbe schwankte häufig sehr stark. Zwischen 1534 und 1537 ließ der Magdeburger Rat eine erste Wasserkunst errichten, die mittels Pferdegöpel angetrieben, Wasser der Elbe förderte und über hölzerne Röhren einen Brunnen auf dem alten Markt speiste. Im 30jährigen Krieg verbündete das protestantische Magdeburg sich mit den Schweden und wurde in Folge am 10. Mai 1631 von den kaiserlichen Truppen der Kaiserlichen Liga fast vollständig zerstört. Diesen kriegerischen Handlungen fiel auch die erste Wasserkunst der Stadt zum Opfer. Im Jahr 1666 rückten die ersten Regimenter des Kurfürstentums Brandenburg in die Stadt ein, die noch von dem sächsischen Administrator August von Sachsen-Weißenfels (1614-1680) verwaltet wurde. Nach dem Tod von August fiel die Stadt dann vollständig an Brandenburg, welches umgehend mit der Errichtung eines großen Festungssystems begann. Zur Versorgung der Soldaten ließ der brandenburgische Kurfürst zwischen 1698 und 1701 eine neue Wasserkunst an der Elbe errichten. Diese Wasserkunst versorgte 8 öffentliche "Kunstpfähle" (Entnahmestellen) zur Versorgung der Bürger. 1703 übergab Preußen (der Brandenburgische Kurfürst Friedrich III hatte sich 1701 zum König von Preußen krönen lassen) die Wasserkunst, die in einem hohen Turm eingerichtet war, an den Rat der Stadt. |
In den folgenden Jahren wurden mindestens zwei weitere Künste auf private Initiativ errichtet, wovon die Wasserkunst am Neuen Markt 1807 von der Stadt übernommen wurde. Zum Ende des 30jährigen Krieges lebten nur noch ca. 450 Menschen in Magdeburg, bis 1780 war die Einwohnerzahl auf ca. 23000 Menschen angewachsen. Dazu kamen noch die Soldaten der Befestigungsanlagen. Der Wasserbedarf stieg somit kontinuierlich an. 1819 erfolgte daher die Ausrüstung der Ratswasserkunst mit einer Dampfmaschine, um die geförderte Menge zu erhöhen und zwischen 1829 und 1834 wurden die verschlissenen hölzernen Wasserrohre der Stadt durch gusseiserne ersetzt. Die beginnende Industrialisierung führte Anfang des 19. Jahrhunderts zu einer zunehmenden Verschmutzung des Elbewassers im Bereich der Stadt, so dass es unaufbereitet nicht länger verwendet werden konnte. 1853 litt Magdeburg unter einer großen Choleraepidemie, jedoch war die damalige Forschung noch nicht so weit, hier einen Zusammenhang zu sehen. Auf der Suche nach einer geeigneten neuen Entnahmestelle fand sich ein Areal auf dem sogenannten Wolfswerder nahe dem Dorf Buckau (1859-1887 Stadtrecht, seitdem Stadtteil von Magdeburg). Hier flußaufwärts war die Elbe noch nicht mit den Abwässern der Stadt belastet. Diese Entscheidung führte zu langen Verhandlungen mit den Militärbehörden der Festung, die ein Wasserwerk innerhalb der Festungsanlagen forderten. Zwischen 1857 und 1859 wurde das Wasserwerk Buckau unter der Leitung des englischen Ingenieurs John Moore erbaut, der schon den Bau des ersten Berliner Wasserwerkes an der Spree geleitet hatte. In den ersten Jahren verwendete man das Wasser, welches sich in ufernahen Becken sammelte (uferfiltriert), jedoch reichte diese Menge bald nicht mehr aus. Nun entnahm man das Wasser direkt der Elbe und reinigte es in Sandfilterbecken. Ergänzt wurde die Anlage um einen Wasserhochbehälter auf dem Kroatenberg (heute Georgshöhe), der den Versorgungsdruck sicherstellte und Überschüsse aufnehmen konnte. Nur wenige Jahre später reichte die gelieferte Wassermenge nicht mehr aus, um den Bedarf von Magdeburg, Buckau und Sudenburg zu decken. Dazu kam eine rasche industrielle Entwicklung in Buckau, die auch Wasser forderte. Zwischen 1873 und 1877 wurde daher das Wasserwerk deutlich erweitert. Wasserwerk Buckau (Aus der Werkschronik 1959) Trotz aller technischen Verbesserungen rissen die Probleme bei der Wasserversorgung der Stadt Magdeburg nicht ab. Ab 1892 veränderte sich der Geschmack des Leitungswassers dramatisch. Das Wasser bekam einen bitteren und salzigen Geschmack. Ursache war die aufblühende Kaliindustrie, die ihre salzhaltigen Endlaugen in der Saale und den Nebenflüssen entsorgte. Die Saale aber mündete ca. 35 km oberhalb des Wasserwerkes in die Elbe. Zu dem Salzgehalt kamen dann noch faulige Bestandteile aus den Abwässern der wachsenden Zuckerindustrie. Extrem waren diese Verhältnisse bei niedrigem Wasserstand der Elbe, wo das Trinkwasser nicht mehr zu genießen war. Zur Zeit ist das Wasser der Elbe und das aus derselben geschöpfte Wasser unseres Wasserwerkes trotz der guten Sandfiltration so stark versalzen, schmeckt so schlecht und scharf, daß es ohne Ekel überhaupt nicht getrunken werden kann. Kaffee und Thee, aus Leitungswasser zubereitet, sind ebenfalls ungenießbar; Hülsenfrüchte können mit diesem Wasser kaum noch weicht gekocht werden. Infolge dessen ist unter unserer Einwohnerschaft ein Mangel an brauchbarem Wasser ausgebrochen, wie es größer nicht gedacht werden kann. (Aus einer zeitgenössischen Veröffentlichung) Als Alternativen kamen die Entnahme des Elbwassers am östlichen Ufer, wo das Saalewasser noch nicht mit dem Elbewasser vermischt ist, oder die Förderung von Grundwasser in Frage. Die Suche nach geeigneten Stellen für die Anlage von Grundwasserbrunnen führten viele Jahre zu keinem Erfolg. Das Grundwasser in der näheren Umgebung war salz-, eisen- und manganhaltig. Die Stadtverordneten von Magdeburg bewilligten daraufhin 1905 die Finanzierung einer neuen Entnahmestelle auf dem östlichen Elbufer bei Prester sowie die Anlage einer Dükerleitung mit einem Durchmesser von 1 m unter dem Fluss hindurch bis ins Wasserwerk Buckau, wo das geförderte Wasser einem 11 m tiefen Sammelschacht zugeführt werden sollte. Die Bauarbeiten konnten 1909 abgeschlossen werden und ab dem 1. Juni des gleichen Jahres in Betrieb gehen. Sehr bald bürgerte sich der Name "Wasserschlösschen" oder "Mäuseturm" für das Entnahmebauwerk ein. Trotz dieser Maßnahme und weiteren Verbesserungen im Wasserwerk, wie der Einbau moderner Stufenfilter, waren die Probleme mit der Wasserqualität weiterhin nur unbefriedigend gelöst. Stufenfilter nach Puech-Chabal im Wasserwerk Buckau (Aus der Werkschronik 1959) Eine besondere Art von Schnell- und Grobfilter stellt das Wasserreinigungssystem Puech-Chabal dar. Es ist eine Kombination von mehreren treppenartig übereinander liegenden Grob- und Schnellfiltern mit zwischengeschalteten Kaskaden zur Lüftung und Belichtung des Wassers. Der Zweck des Verfahrens ist, stark verunreinigte Wässer so weit vorzuklären, daß sie hernach durch eines der andern Verfahren entkeimt werden können. Für besonders wichtig hält die in Paris ansässige Firma die durch die Kaskaden bewirkte Sauerstoffzufuhr zum Wasser. Das erste Filter dieser Art in Deutschland wurde seitens der obengenannten Gesellschaft für die Stadt Magdeburg mit einer täglichen Leistung von 45000 cbm ausgeführt. Die Anlage hat sich so gut bewährt, daß die Stadt Magdeburg inzwischen eine Erweiterung derselben beschlossen hat. (Weyrauch: Wasserversorgung der Städte, 2. Bd., Leipzig 1914)
Die Suche nach geeignetem Grundwasser wurde daher - mit Unterbrechung durch den 1. Weltkrieg - fortgesetzt. Gegen Ende der 1920er Jahre fixierten sich die Untersuchungen des Grundwassers auf den Bereich der Colbitz-Letzlinger Heide, wo optimale Verhältnisse vorgefunden wurden. So schlug der Magistrat den Stadtverordneten am 4. September 1930 den Bau eines Wasserwerkes bei Colbitz vor. Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Schon kurze Zeit später begann der Bau des neuen Wasserwerks sowie der 20 km langen Rohrleitung zum Wasserhochbehälter auf dem Kroatenberg. Das Wasserwerk Colbitz im Bau Am 12. August 1932 konnte das neue Wasserwerk Colbitz feierlich in Betrieb genommen werden. Da die geförderte Wassermenge noch nicht vollständig zur Versorgung der Stadt Magdeburg ausreichte, wurde das Grundwasser mit dem Elbewasser des Werks Buckau im Hochbehälter auf dem Kroatenberg gemischt. Zur Qualitätsverbesserung des Buckauer Wassers war hier 1923 die Chlorierung und Ende der 1920er Jahre noch eine chemische Reinigungsstufe durch Flockungsmittel eingebaut worden. Im Jahr 1935 erfolgten nochmals Modernisierungen im Wasserwerk Buckau. Elektrische Kreiselpumpen ersetzten teilweise die veralteten Dampfpumpen. Dies wohl auch im Hinblick auf die benötigte Wassermenge der Rüstungsbetriebe. Während 1933 Buckau nur 6,6 % Elbwasser zum Gesamtverbrauch zusteuerte, waren so 1936 wieder 27,7 % nötig. Elektrische Kreiselpumpen im Wasserwerk Buckau (aus Werkschronik 1959) Die starken Zerstörungen der Stadt im 2. Weltkrieg beschädigten das Rohrnetz an vielen Stellen, so dass die Wasserversorgung im April 1945 für fünf Tage vollständig ausfiel. Auch Bürogebäude und Werkstätten der Wasserwerke wurden beschädigt. Der Wiederaufbau der Stadt und ihrer Industrie erforderte Anfang der 1950er Jahre weitere Kapazitätserhöhungen. Schon Ende der 1920er Jahre hatte es Überlegungen gegeben, das Grundwasser in der Letzlinger Heide durch gezieltes Versickern von Ohrewasser "anzureichern". Das sollte die Möglichkeit bieten, eine Trennung zwischen dem Betriebswasser der Industrie und dem Trinkwasser vorzunehmen, welches dann in ausreichender Menge aus Colbitz käme. Für die Industrie stände somit das Wasser aus Buckau vollständig zur Verfügung. Im August 1959 wurden die Planungen zum Bau eines weiteren Wasserwerks in unmittelbarer Nähe des bisherigen bei Colbitz genehmigt. Durch das Überleiten und Versickern von Ohrewasser konnte der bisherige Grundwasserpegel in der Heide stabilisiert werden. Als problematisch erwies es sich, dass der Bereich zur Einleitung des Ohrewassers im Sperrgebiet der Sowjetischen Armee lag. Trotzdem konnte das neue Wasserwerk Colbitz II am 14. September 1966 in Betrieb genommen werden. Parallel zum Bau des Wasserwerks Colbitz II wurde 1966 ein neuer Wasserbehälter auf dem Dehnberg in Betrieb genommen, der ausschließlich zur Speicherung und dem Konstanthalten des Leitungsdruckes für Trinkwasser diente. Seit diesem Jahr lieferte das alte Wasserwerk Buckau nur noch Brauchwasser für die Industriebetriebe. Im Oktober 1990 wurde es endgültig stillgelegt. Das heute unter Denkmalschutz stehende "Wasserschlösschen" wurde leider durch einen Brand 2010 stark beschädigt. Alte Anschrift am Wasserschlösschen (2003) |
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Quellen: Baumann: Wie der Magdeburger zum Wasser kam, Magdeburg 2006 Magdeburg und seine Umgebung, Berlin (Ost) 1972
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© Joachim Fricke 2015