Tag der offenen Tore in der Triebwagenhalle Erkner


 

Den ersten Bahnanschluss erhielt Erkner mit der Eröffnung der Berlin-Frankfurter Eisenbahn am 23. Oktober 1842. Durch die stetige Zunahme der Bevölkerung und des Zuspruchs von Berliner Ausflüglern beschloss die Preußische Staatseisenbahn einen Vorortverkehr auf eigenen Gleisen zwischen Berlin und Erkner einzurichten, der am 1. Oktober 1902 eröffnet wurde. Im Rahmen der beschlossenen "Großen Elektrisierung" der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen (ab 1930 S-Bahn) gehörte die Vorortstrecke nach Erkner ab dem 11. Juni 1928 zu den ersten elektrifizierten Strecken. Schon im Winter 1927 war die fünfgleisige Triebwagenhalle zum Abstellen der Triebwagenzüge Bauart "Stadtbahn" fertiggestellt. Nach Kriegsende wurde die Vorortstrecke vom Schlesischen Bahnhof in Berlin bis Erkner im Auftrag der sowjetischen Besatzungsmacht vollständig demontiert. Auch der Fernverkehr auf der vormaligen Berlin-Frankfurter Eisenbahn war eingestellt wurden, da die Strecke (Brest - Frankfurt - Berlin) für den sowjetischen Militärverkehr auf die russische Breitspur (1524mm) umgespurt worden war. So passierte auch Stalins Sonderzug Erkner, als er im Juli 1945 zur Potsdamer Konferenz reiste. Erst Ende August konnten die ersten öffentlichen Fernzüge wieder auf der rückgespurten Strecke eingesetzt werden. Die Arbeiten zum Wiederaufbau der S-Bahnstrecke nach Erkner begannen jedoch erst im Mai 1947 und der elektrische Betrieb konnte letztendlich im November 1948 wieder aufgenommen werden. Auch in der Triebwagenhalle wurden nun wieder S-Bahnwagen stationiert und bis heute steht der Betriebshof Erkner den Fahrzeugen der Berliner S-Bahn GmbH am Endpunkt ihrer Linie S3 (Ostkreuz-Erkner) zur Verfügung.

Im Oktober 1991 erfolgte die Gründung des Vereins Historische S-Bahn e.V. mit dem Ziel, historisch wertvolle Fahrzeuge aus der Geschichte der Berliner S-Bahn zu erhalten und zu pflegen. Nachdem die stetig gewachsene Sammlung zuerst in der Triebwagenhalle Hundekehle untergebracht war, erfolgte zur Jahrhundertwende der Umzug nach Erkner, da die Berliner S-Bahn GmbH die Halle nur noch in geringem Maße nutzte. Gepflegt werden dort die vereinseigenen Fahrzeuge, aber auch Museumsfahrzeuge der S-Bahn selbst. Im Rahmen von "Tagen der offenen Tore" kann ein Teil der Sammlung einmal im Jahr besichtigt werden. Die folgenden Aufnahmen entstanden am 06.06.2015. Die Fahrzeugaufnahmen werden chronologisch nach dem Alter der Fahrzeugbauarten präsentiert. Besuchen Sie auch die Homepage dieses Vereins:

www.hisb.de


 

Der zuletzt als Hilfszug genutzte Triebwagen der Bauart "Bernau" gehört zu den ältesten Fahrzeugen der Berliner S-Bahn. Nach einigen Versuchszügen beschaffte die Deutsche Reichsbahn 1924/25 insgesamt 17 sogenannte Halbzüge dieser Bauart. Jeder Halbzug bestand aus zwei vierachsigen Triebwagen und drei dazwischen gekuppelten zweiachsigen Beiwagen. Zwei Halbzüge bildeten jeweils einen Vollzug, die längste zulässige Einheit. 1956/57 wurden 8 dieser Halbzüge modernisiert und optisch (Front) sowie technisch der Bauart "Stadtbahn" angeglichen. 1965 wurde der gezeigte Halbzug (mit nur noch 2 Beiwagen - hier nur einer) zum Hilfsgerätezug umgebaut. Er besteht aus dem Triebwagen 278 007-0 (WUMAG 1925 ex. ET169 017b) dem Beiwagen 278 006-2 (Dessauer Waggonfabrik 1925 ex. EB169 006-2) und dem Triebwagen 278 005-4 (WUMAG 1925 ex. ET169 017a). Die weiteren verbliebenen Triebwagen wurden bis auf die Fahrwerke abgewrackt. Die Fahrwerke wurden dann im RAW Schöneweide zum Bau der U-Bahn Triebwagen des Typs EIII verwendet.

Für den Einsatz auf der neu elektrifizierten Strecke vom Stettiner Vorortbahnhof bis Oranienburg beschaffte die Reichsbahn 1925/26 50 Viertelzüge der neuen Bauart "Oranienburg" bestehend aus Trieb- und Steuerwagen. Aus vier dieser Züge konnte die längste betriebliche Einheit, ein Ganzzug gebildet werden. Die Höchstgeschwindigkeit betrug nun 80 km/h und war damit um 10 km/h schneller als die Bauart "Bernau". Nach dem 2. Weltkrieg verblieben nur noch 19 Viertelzüge bei der S-Bahn. Letztmalig wurden die Fahrzeuge 1963 im Personenverkehr eingesetzt. Vier Viertelzüge überlebten aber noch länger als Material- und Gepäckzüge. Der hier gezeigte Triebwagen ET168 029 (LHB 1926) war bis 1972 im Einsatz. Ein - später zum Beiwagen umgebauter - Steuerwagen mit der Betriebsnummer EB168 030 (LHB 1926) befindet sich ebenfalls noch in der Sammlung, wurde jedoch leider nicht gezeigt. Die Sammlung verfügt somit über den letzten vollständigen Viertelzug der Bauart "Oranienburg".

Ebenfalls zur Bauart "Oranienburg" gehört der Rangier- und Überführungstriebwagen "Jumbo" 478 701-6 (Wegmann 1926 ex. ET168 043), der bis 1963 in einem Gerätezug Verwendung fand. 1963 wurde er mit einem zweiten Führerstand und zusätzlichen normalen Zug- und Stoßvorrichtungen versehen.

Für die geplante Elektrifizierung der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen beschaffte die Reichsbahn zwischen 1928 und 1931 eine große Anzahl neuer Triebzüge der Bauart "Stadtbahn", einer Weiterentwicklung der Bauart "Oranienburg". Insgesamt wurden 638 Viertelzüge in den Kombinationen Triebwagen/Steuerwagen oder Triebwagen/Beiwagen geliefert. In den 1940er Jahren wurden dann die meisten Steuerwagen zu Beiwagen umgebaut. Nach dem 2. Weltkrieg kamen noch 434 Viertelzüge in Berlin wieder zum Einsatz. Viele Fahrzeuge mussten nach Polen und in die UdSSR abgegeben werden. Ein Teil der abgegebenen Fahrzeuge kehrten jedoch Anfang der 1950er Jahre aus der UdSSR nach Berlin zurück. Noch in den 1980er Jahren unterzog die Deutsche Reichsbahn 188 Trieb- und 189 Beiwagen einer umfangreichen Modernisierung. Die verbliebenen nicht modernisierten Fahrzeuge wurden 1997 ausgemustert. Einige Museumsfahrzeuge, wie der gezeigte Viertelzug aus dem Steuerwagen ES165 231 (LHB 1928 ex. DR 275 694-8 1947 zum Steuerwagen rückgebaut) und dem Triebwagen ET165 471 (LHB 1928 ex. DR 275 783-9), blieben erhalten. Es handelt sich hier um Traditionsfahrzeuge der S-Bahn Berlin GmbH.

Ebenfalls zur Bauart "Stadtbahn" gehört dieser Zug aus Steuerwagen 875 605-8 (LHB 1928 ex. ES165 097) und Triebwagen 475 605-2 (O6K 1928 ex. ET165 097), der heute von der S-Bahn Berlin GmbH als Traditionsfahrzeug bewahrt wird. Ende der 1960er Jahre erhielten viele Züge der Bauart "Stadtbahn" im Zuge der Umrüstung auf Einmannbetrieb (EMB) neue Frontscheinwerfer, so auch diese Fahrzeuge.

Ab 1934 beschaffte die Deutsche Reichsbahn neue und leistungsfähigere Fahrzeuge für die Berliner S-Bahn. Es entstanden zwei Bauarten. Die Bauart 1935a "Bankierzüge", die für eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h ausgelegt waren und die Strecke von den südlichen Villenvororten bis zum Potsdamer Fernbahnhof (in Berlin) ohne Halt zurücklegten. Ihr Spitzname beruht auf der angedachten Möglichkeit Geschäftsleute so in kurzer Zeit ins Stadtzentrum zu befördern. In drei Lieferungen wurden bis 1938 insgesamt 18 Viertelzüge aus Trieb- und Beiwagen in Dienst gestellt. Bei der zweiten Bauart handelt es sich um die Bauart 1935 "Olympiazüge", die nur für eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ausgelegt waren. Hiervon wurden 34 Viertelzüge beschafft. Der hier gezeigte Triebwagen 276 031-2 (O&K 1934 ex. ET166 047) gehört der Bauart 1935a an, wurde jedoch später modernisiert. Auch der zugehörige Beiwagen 276 032-0 (Wegmann 1934 ex. EB166 047) gehört zur Sammlung des Vereins, war jedoch nicht zu besichtigen.

Auf der Konstruktionsbasis der Bauarten 1935 entstanden zwischen 1938 und 1944 eine weitere Großserie moderner Triebzüge, die jedoch technisch weiterentwickelt waren. Die Industrie lieferte 283 Trieb- und 261 Beiwagen. Zu weiteren Lieferungen kam es kriegsbedingt nicht mehr. Auch bei diesen Fahrzeugen kam es zu Verlusten durch Kriegseinwirkung und Reparationsleistungen. Mitte der 1950er Jahre standen der Berliner S-Bahn nur noch 182 Trieb- und 171 Beiwagen zur Verfügung. Um die fehlenden Beiwagen zu ersetzten ließ die Deutsche Reichsbahn 1958 in ihrem RAW Schöneweide diese nachbauen. Bis auf 13 Viertelzüge, die weitgehend im Originalzustand erhalten blieben, wurde der Rest der Fahrzeuge zwischen 1973 und 1983 modernisiert. Diese Züge erhielten u.a. neue Stirnfronten. Der hier gezeigte Viertelzug aus dem Triebwagen 3839 (Dessauer Waggonfabrik 1938 ex. ET167 006) und Beiwagen 6401 (Wegmann 1938 ex. EB167 006) wurde durch den Verein weitgehend in den Ablieferungszustand zurückversetzt. Eine zweite Garnitur im Zustand der 1960er Jahre befindet sich zur Zeit in Aufarbeitung, wofür noch großzügige Spender gesucht werden.

Mitte der 1930er Jahre errichtete die Wehrmacht für die Produktion der sogenannten "Vergeltungswaffe" V2 auf der Insel Usedom große Produktionsanlagen und Prüfstände in einem militärischen Sperrgebiet bei Peenemünde. Für den Arbeiterverkehr auf der Werkbahn Peenemünde -  Zinnowitz beschaffte die Wehrmacht 15 Züge aus Trieb- und Steuerwagen. Die Fahrzeuge entsprachen im Fahrzeugteil weitgehend den ab 1939 für die Berliner S-Bahn gelieferten Zügen, erhielten ihren Strom aber aus einer Oberleitung mit einer Fahrdrahtspannung von 1200 Volt. Nach dem 2. Weltkrieg kamen noch eine Einheit und zwei Triebwagen nach Berlin, die aufgrund ihrer abweichenden Bauart jedoch zu Beiwagen umgebaut wurden. Weitere sieben vollständige Züge wurden aus den Reparationsleistungen an die UdSSR 1952 nach Berlin zurückgegeben. Hier wurden die Steuerwagen zu Beiwagen umgebaut. In den 1960ern erfolgte dann der Rückbau der Beiwagen in Steuerwagen. Erst Anfang der 1990er Jahre wurden die Züge ausgemustert. Ein vollständiger Viertelzug aus dem Steuerwagen 276 070-0 (LHB 1942 ex. ES167 288) und dem Triebwagen 276 069-2 (Dessauer Waggonfabrik 1941 ex. ET 166 056) bleibt in der Sammlung der Historischen S-Bahn e.V. erhalten und wurde gezeigt.

Der hier gezeigte Viertelzug aus dem Triebwagen 477 602-7 (Dessauer Waggonfabrik 1939 ex. ET167 175) und dem vormals Peenemünder Triebwagen Trw 05 (jetzt Steuerwagen) 877 602-3 (Dessauer Waggonfabrik ex. EB167 243) entspricht der modernisierten Form mit zwei Fenstern in der geänderten Front, wie sie ab Mitte der 1970er Jahre durch die Deutsche Reichsbahn umgebaut wurden.

Neben den Fahrzeugen, aus der Sammlung der Historischen S-Bahn e.V. bzw. die sich in deren Pflege befinden, waren einige weitere Fahrzeuge ausgestellt. Bemerkenswert war dieser Doppeldeckerbus 2437 (Typ Büssing DE 72) der BVG, der von 1973 bis 1985 im Einsatz stand und heute von der Traditionsbus GmbH, Berlin erhalten wird.


Quellen:

Braun: Mit Dampf und Strom nach Erkner, Verkehrsgeschichtliche Blätter 3.1990

Historische S-Bahn e.V.: Informationsheft, unser Verein, unsere Fahrzeuge, Berlin 1996

Reimer/Winkler: Berliner Bahnbetriebswerke, München 2001

Schmiedeke: Der Wagenpark der Berliner S-Bahn, Hamburg 1997

http://www.stadtschnellbahn-berlin.de

http://www.hisb.de


© Joachim Fricke 2015