Die Glashütte Jordan in Oker


 

Es rauscht und braust, wo sorgsam ruht

in Häfen in des Ofens Enge

und schmilzt in flammenroter Glut

zum Glas das gleißende Gemenge.

 

aus: "Hüttengeister" von Paul Friedl

Verwaltungs- / Wohnhaus der Glashütte Jordan am Gelmkebach

Foto: J. Fricke (2005)

Heute fast völlig vergessen ist die frühere Glashütte der Gebrüder Jordan im Goslarer Stadtteil Oker. Sie befand sich auf einem annähernd dreieckigen Grundstück zwischen dem Gelmkebach und dem Güterbahnhof Oker. Nur das westlich vom Gelmkebach gelegene Wohn- und Verwaltungsgebäude sowie immer wieder nach Regenschauern aufblitzende grüne Flaschenhälse und Rohglasstücke zeugen von ihrer Existenz.

Im Mai 1885 beantragten die Brüder Julius und Richard Jordan den Bau einer Glashütte und pachteten das erforderliche Grundstück vom Goslarer Magistrat. Zwei unmittelbar westlich davon gelegene Tagebaue, eine Sandgrube (heute verfüllt) und ein Kalksteinbruch (in Resten sichtbar) dienten als Rohstoffquellen.

Im August 1885 erteilte der Magistrat die Genehmigung und erstellte den Pachtvertrag für alle Grundstücke. Noch im gleichen Jahr nahm die Hütte den Betrieb auf. Gefertigt wurden überwiegend grüne Getränkeflaschen, die an Brauereien und Mineralwasserbrunnen auch im Oberharz geliefert wurden. 

Für die Arbeiter der Glashütte entstanden mehrer Häuser an der Straße "Am Sudmerberg". Diese Siedlung wurde bei den Okeranern als "Kamerun" bezeichnet.  Ein heute nicht mehr erhaltenes zweistöckiges Gebäude befand sich im Bereich des Werkparkplatz der Fa. H.C.Starck.

Glasmachersiedlungshäuser "Am Sudmerberg"

Foto: J. Fricke (2005)

Erste finanzielle Probleme traten schon 1895 auf, weshalb die Gebrüder Jordan Pachtermäßigung bei der Stadt Goslar beantragten. Diesem Antrag wurde jedoch nicht stattgegeben. Angeblich wäre die Qualität des Kalks schlecht und die Lohnzahlungen recht hoch. Auch der Versuch die Grundstücke käuflich zu erwerben wurde vom Magistrat abgelehnt. Mehrfach blieb die Firma Jordan (mittlerweile war Julius verstorben) ihre Pacht schuldig.

Im Jahr 1902 wechselte die Glashütte in den Besitz der "Glasfabrik Elisenhütte Brauer, Rohland und Co. GmbH" in Lippstadt. Dieses Unternehmen wandte sich im gleichen Jahr an den Goslarer Magistrat mit der Bitte, weiteres Land zur Sandgewinnung zu erwerben. Dieser Antrag wurde aber abgelehnt. 1908 mussten ungenehmigte Schürfarbeiten nach Sand festgestellt werden, auch schuldete der neue Besitzer weiterhin Pacht.

Nach dem 1907 erschienenen Buch "Deutschlands Glasindustrie" verfügte die Hütte über drei Hafenöfen der Firma Friedrich Siemens Industrieofenbau, Berlin. Das Werk beschäftigte zu diesem Zeitpunkt 200 Mitarbeiter und produzierte 12.000.000 Getränkeflaschen im Jahr. 

Siemens´scher Regenerativ-Hafenofen

Die Abbildung zeigt die Häfen (a) und die Entnahmeöffnungen für die Schmelze (b). Unter dem Ofen befindet sich das Kammersystem (c) mit den Regeneratoren. Die Beheizung des Ofens erfolgt mit Gas, welches zuvor aus Kohle (hier Braunkohle) in einem Generator hergestellt wurde. die noch heißen Abgase streichen durch die Schamottsteine eines der Regeneratoren und heizen diese auf. Der nun glühende Regenerator erwärmt anschließend die noch unverbrannte Gasmischung, bevor sie im Ofen verbrennt, während der zweite Regenerator wieder aufgeheizt wird. Dieser Prozess wechselt in bestimmten Zeitabständen. Durch diese Technik kann erheblich Brennstoff eingespart werden. Der unmittelbare Kontakt der Kohle mit der Glasschmelze wird auch verhindert, da diese und die Asche die Schmelze verunreinigen würden.

Offensichtlich stellte das Werk 1910 seinen Betrieb ein. Mit Ausnahme des Verwaltungsbaus wurden alle Gebäude abgebrochen. Der ca. 40m hohe Schornstein der Glashütte wurde erst zu Beginn des 1. Weltkriegs von einer Pioniertruppe gesprengt, wobei es zu einem Unfall durch herumfliegende Mauerwerksbrocken kam.  Das Areal ist heute bewachsen. Die Sandgrube diente später der Gewinnung von Formsand, der mittels einer Feldbahn am Bahnhof verladen werden konnte. Näheres darüber ist nicht bekannt. Im Folgenden benutzte die Fa. H.C.Starck die Grube als Deponie. Heute ist sie verfüllt und eingezäunt. Die Reste des Kalkbruchs sind noch am nördlichen Dammende der Absetzbecken vom Erzbergwerk Rammelsberg erkennbar. Über das Hüttengelände wurde während des 1. Weltkriegs ein Abzweig der Erzbahn vom Rammelsberg zu den Metallhütten in Oker gelegt, dieser jedoch bald wieder demontiert.

Rohglas und Glasscherben vom ehemaligen Hüttengelände

Sammlung: J. Fricke

Schon die Ägypter fertigten Glasperlen als Schmuck an. Die Rohstoffe Sand und Kalk fanden sich überall und Soda reichlich in eingetrockneten Seen. 

In Deutschland sind erste Glashütten im 10. Jahrhundert nachgewiesen. Bis in das 19. Jahrhundert gehörte Glas zu den Luxusartikeln. Erst die industrielle Herstellung von Soda ermöglichte eine kostengünstige Produktion von Glas.

Glas wird aus Sand, Kalk und Soda hergestellt. Weiter Zusätze beeinflussen die Farbe des Produkts. Diese als "Gemenge" bezeichnete Mischung schmilzt bei etwa 1480 Grad Celsius. Durch Zusatz von Glasscherben wird der Schmelzpunkt des Gemenges gesenkt. Das Schmelzen erfolgt in feuerfesten Häfen, die in den Ofen eingesetzt werden. Mit einer Glasmacherpfeife aus Eisen entnimmt der Glasbläser etwas von der Schmelze und bläst diese in Formen aus Metall oder Holz ein um das spätere Gefäß zu formen. Standardware wird heute maschinell erzeugt.

Übrigens: 

Glas ist eine unterkühlte hochviskose Flüssigkeit. Es weist weder einen definierten Schmelzpunkt noch eine kristalline Struktur auf. 

 

 

Da bisher nur wenig Informationen und kein Bildmaterial zur Glashütte Jordan vorliegen, bitte ich Leser des Beitrags, die etwas zusteuern können, um Nachricht.


Quellen:

Glasfabrikation, Leipzig 1914

Laub: Glashütten-Geschichten, Goslarer Bergkalender 1975

Leuchtend wie Kristall - Eine Anthologie, Berlin (Ost) 1978

Wurlitzer: Historische Werkstätten, Berlin (Ost) 1989


 

© Joachim Fricke 2022